Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG)
Das deutsche Erbbaurechtsgesetz im Volltext mit verständlichen Erläuterungen
Gesetz über das Erbbaurecht (Erbbaurechtsgesetz - ErbbauRG)
Ausfertigungsdatum: 15.01.1919
Vollzitat: "Erbbaurechtsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 7 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3719) geändert worden ist"
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 7 G v. 1.10.2013 I 3719
Das Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) ist die zentrale gesetzliche Grundlage für das Erbbaurecht in Deutschland. Es regelt die Bestellung, den Inhalt, die Übertragung und die Beendigung von Erbbaurechten. Hier finden Sie die wichtigsten Bestimmungen mit verständlichen Erläuterungen.
Hinweis: Der vollständige Gesetzestext ist verfügbar unter:gesetze-im-internet.de
I. Begriff und Inhalt des Erbbaurechts
§ 1 - Gesetzlicher Inhalt
Gesetzestext (Auszug):
"(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben (Erbbaurecht)."
Erläuterung:
- • Das Erbbaurecht ist ein dingliches Recht am Grundstück
- • Es ist veräußerlich (verkaufbar) und vererblich
- • Berechtigt zum Errichten und Haben eines Bauwerks
- • Kann sich auch auf Teile des Grundstücks erstrecken
- • Beschränkung auf Stockwerke ist unzulässig
§ 2 - Vertragsmäßiger Inhalt
Zum Inhalt des Erbbaurechts können gehören:
- • Errichtung und Instandhaltung des Bauwerks
- • Versicherung und Wiederaufbau
- • Tragung von Lasten und Abgaben
- • Heimfallregelungen
- • Vertragsstrafen
- • Verlängerungsvorrechte
- • Verkaufsverpflichtungen
- • Zustimmungsvorbehalte
Erbbauzins (§§ 9, 9a ErbbauRG)
§ 9 - Grundlagen des Erbbauzinses
Der Erbbauzins ist das Entgelt für die Überlassung des Grundstücks:
- • Reallast: Wird als Reallast im Grundbuch eingetragen
- • Wiederkehrende Leistung: Meist jährlich, vierteljährlich oder monatlich
- • Untrennbarkeit: Kann nicht vom Grundstückseigentum getrennt werden
- • Heimfall bei Zahlungsverzug: Erst ab 2 Jahresbeträgen Rückstand
§ 9a - Schutz vor unbilligen Erhöhungen (Wohnzwecke)
Besondere Regelungen für Wohnbauten (seit 1974):
- • Billigkeitskontrolle: Erhöhungen müssen angemessen sein
- • Indexbindung: Orientierung an allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen
- • Sperrfrist: Frühestens nach 3 Jahren möglich
- • Grundstückswertänderungen: Grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig
Übertragung und Belastung (§§ 5-8 ErbbauRG)
Zustimmungsvorbehalte
§ 5 - Zustimmungserfordernisse
- • Veräußerung: Verkauf kann von Zustimmung abhängig gemacht werden
- • Belastung: Hypotheken/Grundschulden können zustimmungspflichtig sein
§ 7 - Anspruch auf Zustimmung
- • Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Verpflichtungen
- • Wenn der Vertragszweck nicht gefährdet wird
- • Gerichtliche Ersetzung bei unbegründeter Verweigerung
Grundbuchvorschriften (§§ 14-17 ErbbauRG)
§ 14 - Erbbaugrundbuch
Besonderheiten der grundbuchlichen Behandlung:
- • Eigenes Grundbuchblatt: Erbbaugrundbuch wird von Amts wegen angelegt
- • Vermerkung: Grundstückseigentümer wird im Erbbaugrundbuch vermerkt
- • Bezugnahme: Verweis zwischen Grundbuch und Erbbaugrundbuch
- • Rechtswirkung: Erbbaugrundbuch ist das maßgebliche Grundbuch für das Erbbaurecht
Beendigung des Erbbaurechts (§§ 26-34 ErbbauRG)
§ 27 - Zeitablauf und Entschädigung
Regelungen beim natürlichen Ablauf des Erbbaurechts:
- • Entschädigungsanspruch: Grundsätzlich für das Bauwerk
- • Mindestentschädigung: Bei Wohnzwecken mindestens 2/3 des gemeinen Wertes
- • Verlängerungsalternative: Statt Entschädigung Verlängerung möglich
- • Abtretungsverbot: Entschädigungsanspruch nicht vorab abtretbar
§ 32 - Heimfall
Vorzeitige Beendigung bei Vertragsverletzungen:
- • Vergütungsanspruch: Angemessene Vergütung für das Erbbaurecht
- • Wohnzwecke: Mindestens 2/3 des gemeinen Wertes des Erbbaurechts
- • Schuldübernahme: Grundstückseigentümer übernimmt bestehende Belastungen
Praktische Bedeutung der gesetzlichen Regelungen
Für Erbbauberechtigte
- • Rechtssicherheit durch gesetzliche Mindeststandards
- • Schutz vor willkürlichen Erbbauzinserhöhungen
- • Entschädigungsansprüche bei Beendigung
- • Übertragbarkeit und Vererblichkeit
Für Grundstückseigentümer
- • Langfristige Bindung des Erbbauberechtigten
- • Heimfallmöglichkeiten bei Vertragsverletzungen
- • Zustimmungsvorbehalte bei Übertragungen
- • Rückfall des Bauwerks bei Ablauf
Aktuelle Entwicklungen und Reformdiskussion
Das über 100 Jahre alte Erbbaurechtsgesetz wird regelmäßig diskutiert:
Diskutierte Reformpunkte:
- • Vereinfachung der Verlängerungsverfahren
- • Modernisierung der Erbbauzinsanpassung
- • Digitalisierung der Grundbuchverfahren
- • Anpassung an EU-Recht
Aktuelle Herausforderungen:
- • Komplexität der Vertragsgestaltung
- • Finanzierungsprobleme bei kurzen Restlaufzeiten
- • Uneinheitliche Rechtsprechung bei Einzelfragen
- • Anpassung an moderne Bauformen
Fazit
Das Erbbaurechtsgesetz von 1919 hat sich als bemerkenswert stabil und praxistauglich erwiesen. Trotz gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen bildet es noch heute die solide rechtliche Grundlage für Erbbaurechte in Deutschland. Die wenigen, aber gezielten Novellierungen haben das Gesetz an moderne Anforderungen angepasst, ohne seine bewährte Grundstruktur zu zerstören. Für alle Beteiligten – Erbbauberechtigte wie Grundstückseigentümer – bietet es einen ausgewogenen Rahmen für langfristige Rechtsverhältnisse.